Untersuchung zur Fortschreibung der Lärmaktionsplanung Stufe 4 – Beauftragung


Daten angezeigt aus Sitzung:  Gemeinderatssitzung Schönau im Schwarzwald, 22.05.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Schönau im Schwarzwald (Stadt Schönau im Schwarzwald) Gemeinderatssitzung Schönau im Schwarzwald 22.05.2023 ö 6

Sachverhalt

Die Lärmaktionsplanung der Städte und Gemeinden hat sich als wichtige Säule beim Schutz vor Verkehrslärm in Baden-Württemberg etabliert. Dem Verkehrsministerium war und ist es ein Anliegen, dass bestehende Handlungsspielräume im Sinne der Lärmbetroffenen weiter ausgeschöpft werden. Deshalb wurde der „Kooperationserlass-Lärmaktionsplanung“ neu verfasst, um die Rahmenbedingungen für den Schutz vor Umgebungslärm in Baden-Württemberg weiter zu verbessern.

Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Lärmaktionspläne künftig grundsätzlich für alle von der Umgebungslärmkartierung erfassten Gebiete aufzustellen, unabhängig davon, ob Lärmprobleme vorhanden sind oder auf dem kartierten Gemeindegebiet Lärmbetroffene ermittelt wurden. Die Zahl der Gemeinden, die in Baden-Württemberg aufgefordert sind, Lärmaktionspläne zu erstellen, nimmt damit zu. Aufgrund des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Deutschland wegen fehlender Lärmaktionspläne ist eine fristgerechte und den Anforderungen der EU-Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genügende Durchführung der Lärmaktionsplanung entscheidend.

Ziel der Lärmaktionsplanung sollte sein, konkrete Maßnahmen in den Blick zu nehmen und umzusetzen, um bestehende Lärmprobleme zu mindern und ruhige Gebiete zu schützen.

Lärmaktionspläne sind alle fünf Jahre oder bei bedeutsamen Entwicklungen zu überprüfen. Eine solche bedeutsame Entwicklung ist die von der LUBW aktualisierte Lärmkartierung, welche im fünf Jahres-Turnus veröffentlicht wird. Die Ergebnisse der Lärmkartierung LUBW 2022 (4. Runde) werden voraussichtlich im Sommer 2023 veröffentlicht. Dabei wird die Lärmkartierung 2022 erstmals auf Basis der neuen, europaweit harmonisierten Berechnungsverfahren erfolgen.

Die Aufstellung bzw. Überprüfung und Überarbeitung von Lärmaktionsplänen der vierten Runde muss bis spätestens 18. Juli 2024 abgeschlossen sein. Die Lärmaktionsplanung stellt für Städte und Gemeinden eine weisungsfreie Pflichtaufgabe dar, d.h. diese Aufgaben werden von den Städten und Gemeinden eigenständig im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wahrgenommen.

Für das Erstellen des Lärmaktionsplans hat die Verwaltung ein Angebot vom Büro Rapp AG aus Freiburg eingeholt. Dieses Büro erstellt bereits Lärmaktionspläne für mehrere Gemeinden im Landkreis Lörrach (u.a. die Städte Todtnau und Zell im Wiesental). Herr Wahl vom Büro Rapp AG wird an der Sitzung teilnehmen und steht für Fragen zu Verfügung.

Das Angebot für das Erstellen des Lärmaktionsplans beläuft sich auf brutto 11.370,45 Euro.

Beschlussvorschlag

Der Auftrag für das Erstellen des Lärmaktionsplans wird an das Büro Rapp AG aus Freiburg vergeben.

Haushaltsrechtliche Auswirkungen

Für das Erstellen des Lärmaktionsplans sind keine Mittel im Haushalt 2023 eingestellt. Die erforderlichen Mittel müssen außerplanmäßig verausgabt werden.

Rechtslage

Die Lärmaktionsplanung stellt für Städte und Gemeinden eine weisungsfreie Pflichtaufgabe dar, d.h. diese Aufgaben werden von den Städten und Gemeinden eigenständig im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wahrgenommen.

Vortrag/Diskussionsverlauf

Zu diesem Tagesordnungspunkt begrüßt der Vorsitzende Herrn Wolfgang Wahl vom Büro Rapp AG, Freiburg im Breisgau. Dieser stellt anhand einer Präsentation zunächst das Unternehmen vor, welches in Sachen Mobilität, Verkehr und Schallschutz eine Vielzahl von Kommunen berät. Speziell im Bereich der Lärmaktionsplanung war das Büro Rapp AG in der Vergangenheit in 110 Kommunen in allen vier Regierungsbezirken Baden-Württembergs tätig. 

Ziel des Lärmaktionsplanes ist die Bekämpfung von Lärm. Lärm kann krank machen, die Arbeitsleistung und das Wohlbefinden mindern sowie Immobilienpreise drücken. Besonders Motorradlärm sieht Herr Wahl kritisch. Für den Motorradfahrer wird dieser als Sound in den Ohren wahrgenommen, für Straßenanlieger gilt dieser als Belästigung. Er erwähnt, dass auch die Elektromobilität keine Lärmminderung bringen wird. Ab einer Geschwindigkeit von 30 km/h ist ein Elektroauto genauso laut wie ein normaler Verbrenner. 

Herr Wahl informiert weiter über die schalltechnischen Grundlagen. Die Lärmbelastung ist einer logarithmischen Berechnung unterworfen. Die Verdoppelung der Verkehrsbelastung bedeutet deshalb nicht gleich eine Verdoppelung der Lärmbelastung. Allerdings ist im Durchschnitt ein Lkw bei 50 km/h so laut wie zwanzig Pkw. 

Der Straßenverkehrslärm wird nicht gemessen, sondern berechnet. Die Berechnung führt in der Regel zu höheren Werten als Messungen. Eingangsgrößen sind unter anderem der durchschnittliche tägliche Verkehr, Tag- und Nachtanteile, zulässige Geschwindigkeit, Fahrbahnoberfläche, Kreisverkehre und Lichtsignalanlagen, Steigungen und Gefälle, Reflexion und Abschirmung. 

Die Lärmaktionsplanung ist eine Pflichtaufgabe. Maßgebend sind die EU-Umgebungslärmrichtlinie und das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Hinweise zum Verfahren gibt ein Kooperationserlass des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg. Dieser wurde erst 2023 neu gefasst. Hiernach sind Lärmaktionspläne bei bedeutsamen Entwicklungen zu überprüfen bzw. alle fünf Jahre nach dem Zeitpunkt ihrer Aufstellung. Die Veröffentlichung der überarbeiteten Lärmkartierung Mitte 2023 stellt eine solche bedeutsame Entwicklung dar, weshalb die Stufe 4 der Lärmaktionsplanung ansteht. Die Planung ist bis zum 18.07.2024 abzuschließen. 

Lärmaktionspläne sind künftig grundsätzlich für alle von der Umgebungslärmkartierung erfassten Gebiete aufzustellen, unabhängig davon, ob Lärmprobleme vorhanden sind oder auf dem kartierten Gemeindegebiet Lärmbetroffene ermittelt wurden. 

Eine Ermessensausübung beginnt bei Überschreitung der Grenzwerte. Diese liegen am Tag bei 65 dB(A) und in der Nacht (22 bis 6 Uhr) bei 55 dB(A). Bei Überschreitung der Werte um 2 dB(A) reduziert sich das Ermessen hin zur Pflicht zur Durchführung von Maßnahmen. Spätestens bei Lärmpegeln ab 70/60 dB(A) tags/nachts überschreitet die Lärmbelastung die grundrechtliche Schwelle zur Gesundheitsgefährdung. Ein Ruhebedürfnis fängt bei vielen allerdings bereits schon zwischen 18 und 20 Uhr an. 

Die Betroffenheit in Stufe 3 der Lärmkartierung ist für Schönau im Schwarzwald nicht unerheblich, weshalb nach Herrn Wahl ein qualifizierter Lärmaktionsplan erforderlich ist.  Die Betroffenheiten dürften sich in der Stufe 4 noch erhöhen. In dem Plan sind Lärmminderungsmaßnahmen festzusetzen. Hierunter fallen bauliche Maßnahmen (lärmmindernde Fahrbahndeckschicht, Rückbau, Verkehrsberuhigung, Sanierung schadhafter Fahrbahnbeläge), organisatorische Maßnahmen (Geschwindigkeitsreduzierung, Verstetigung des Verkehrsflusses, Lkw-Verbot), Maßnahmen zur Abschirmung (Lärmschutzwände und -wälle) sowie Maßnahmen am Immissionsort (Lärmschutzfenster und Schalldämmlüfter). 

Der Straßenbaulastträger wird eine Änderung der Fahrbahndeckschicht (Flüsterasphalt) erst dann einbauen, wenn sich der Straßenbelag in einem entsprechend desolaten Zustand befindet. Durch eine Geschwindigkeitsreduzierung würde der Lärm spürbar leiser ausfallen, so Herr Wahl. 

Im Zuge des Lärmaktionsplans können auch nichtkartierte Straßen zusätzlich mit beauftragt werden. Dies dürfte in Schönau im Schwarzwald allerdings nicht relevant sein. In die Kartierung fallen grundsätzlich Bundesstraßen mit einer täglichen Verkehrsbelastung von mehr als 8.200 Kfz. Demzufolge wurde die B 317 kartiert. Am Ortsausgang Richtung Wembach befindet sich an der B 317 eine Dauerzählstelle. Eine zweite Zählstelle wurde an der K 6306 eingerichtet. 

Das Pauschalhonorar würde bei entsprechender Beauftragung brutto 11.370,45 Euro betragen. 

Bürgermeister Schelshorn berichtet, dass sich die Verwaltung im Vorfeld für das Büro Rapp AG ausgesprochen hatte. Das Büro ist auf diesem Feld bereits stark im Umland tätig und bringt die notwendigen Kenntnisse mit. 

Stadträtin Münzer spricht eine mögliche Reduzierung der Geschwindigkeit an. In diesem Falle würde man länger fahren und somit auch länger Lärm produzieren. Herr Wahl entgegnet, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung lediglich eine nur wenige Sekunden längere Fahrtzeit auslösen würde. Im Gegenzug würde sich die Aufenthaltsqualität und die Sicherheit verbessern. Anhaltewege würden sich halbieren. 

Stadträtin Strohmaier erwähnt, dass die Verwirklichung einer Umgehungsstraße leider abgeschmettert wurde. Als Anliegerin der B 317 sieht sie mit der Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h das Problem für nicht gelöst an. Sie verweist hier auf die Rushhour und den sonntäglichen Tourismusverkehr vom Belchen her. Die Fahrzeuge stauen sich hier nur auf. Eine Umgehungsstraße hätte aus ihrer Sicht hier eher für Abhilfe gesorgt. Herr Wahl ist davon überzeugt, dass man die Einführung von 30 km/h später nicht mehr missen möchte. Bei Beibehaltung von 50 km/h entstehe mehr Lärm beim Herunterbremsen sowie beim Beschleunigen. Der Verkehr wird definitiv flüssiger. Es wird leiser, aber nicht leise. 

Stadtrat Schröder bringt zum Vergleich den 30 km/h-Bereich in Freiburg im Breisgau an. Er hat das Gefühl, dass sich dort der Verkehr mehr staut und die Lärmbelastung höher ausfällt. Er erkundigt sich nach Studien, welche belegen, dass eine Reduzierung auf 30 km/h Erfolg verspricht. Herr Wahl teilt mit, dass es eindeutige positive Studien hierzu gibt, unter anderem von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Er bringt aber auch die 30 km/h-Strecke in der Gemeinde Hagnau am Bodensee zur Sprache. Hier bringt die Geschwindigkeitsreduzierung keinen Erfolg, da die Streckenleistungsfähigkeit mit deutlich über 20.000 Fahrzeugen/Tag deutlich überzogen ist. 

Stadtrat Schröder sieht eine 30 km/h-Zone lediglich als vorgeschoben an, damit keine Straßeninvestitionen vorgenommen werden müssen. Eine Umgehungsstraße erachtet er ebenfalls als sinnvolle Maßnahme. 

Der Vorsitzende erwähnt, dass vor einiger Zeit an drei Stellen eine Geschwindigkeit von 30 km/h nachts diskutiert wurde. Der Gemeinderat hatte damals zwei Stellen abgelehnt. die dritte Stelle wurde vom Landratsamt Lörrach abgewiesen. Die Stadt wird mit der neuen Lärmaktionsplanung nun mehr Rechte bekommen, was eine Umsetzung von Geschwindigkeitsbeschränkungen anbetrifft. Eine Umgehungsstraße dürfte auch für die Zukunft ausgeschlossen sein, da man in Schönau im Schwarzwald unter 10.000 Fahrzeugen/Tag liege. Ohnehin würde der Lärm hierdurch nur verlagert. 

Stadtrat Locker sieht als Ergebnis der Einführung von 30 km/h ebenfalls Verkehrsstaus als gegeben an. Er will nicht, dass man von einer Lärmminderung zu einer Abgasmehrbelastung komme. Herr Wahl führt aus, dass eine Stauproblematik teilweise durch die Fußgängerampeln hervorgerufen wird, nicht aber durch eine Geschwindigkeit von 30 km/h. Die Gesamtsituation wird hierdurch nicht schlechter. 

Stadtrat Dr. Sladek weist darauf hin, dass es jetzt lediglich um die Beauftragung zur Fortschreibung der Lärmaktionsplanung geht. Die Diskussion geht ihm schon zu weit in die Tiefe. Auf seine Frage hin bestätigt Herr Wahl nochmals, dass es keine Messungen, sondern nur Berechnungen geben wird. Stadtrat Dr. Sladek sieht hierin lediglich statistische Daten. Herr Wahl ergänzt, dass die Berechnung gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist. Parallel hierzu werden aber Probleme mit Schachtdeckeln aufgenommen. Auch die Straßenoberfläche wird berücksichtigt. Hier aber nur der Belag als solches, nicht wie oft dieser aufgerissen wurde. 

Bürgermeister Schelshorn teilt mit, dass im Haushaltsplan 2023 für diese Lärmaktionsplanung keine Mittel veranschlagt sind. Eine Beauftragung sollte allerdings erfolgen. Die finanzielle Abwicklung wird dann 2024 getätigt. 

Stadtrat Knobel erwähnt, dass der Einbau eines Flüsterasphalts gleicht viel bringen würde, wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Oft werden anstelle der Behebung von Straßenschäden Geschwindigkeitsbegrenzungen vorgenommen. Auf der Ortsdurchfahrt durch Schönau im Schwarzwald wurde schon lange keine Asphaltierung mehr durchgeführt. Dies sollte beim Straßenbaulastträger beantragt werden. Herr Wahl ist davon überzeugt, dass je nach Enge der Bebauung, neben einer lärmmindernden Fahrbahndeckschicht auch eine Reduzierung auf 30 km/h benötigt wird. Er weist nochmals darauf hin, dass Kommunen, welche die 30 km/h eingeführt haben, diese im Regelfall nicht mehr missen möchten. 

Auf Anfrage von Stadtrat Knobel teilt Herr Wahl mit, dass aktuell die Verkehrszahlen aus dem Jahre 2019 maßgebend sind.

Stadtrat Schröder gibt zu bedenken, dass alle Jahre eine Planung durchgeführt wird und anschließend nichts passiert. Er stellt die Frage, ob man eine Strafe bekommen würde, wenn man nichts unternimmt. Der Vorsitzende weist auf die gesetzliche Verpflichtung hin. Bei einer Ablehnung müsste er dem Gemeinderatsbeschluss widersprechen, da dieser gesetzeswidrig wäre. Abschließend führt er aus, dass mit der aktualisierten Lärmaktionsplanung die Kommunen deutlich mehr Möglichkeiten besitzen, als dies früher noch der Fall war.  

Beschluss

  1. Der Gemeinderat beschließt die Aufstellung eines Lärmaktionsplans im qualifizierten Verfahren.
  2. Gemäß Angebot vom 21.03.2023 werden die Leistungen zur Lärmaktionsplanung für ein Pauschalhonorar von 11.370,45 Euro (ohne Optionen, inklusive 5 % Nebenkosten, inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer) an das Ingenieurbüro Rapp AG vergeben. 

Abstimmungsergebnis
Einstimmig angenommen

Abstimmungsbemerkung
Einstimmiger Beschluss. Herr Wahl bedankt sich für das in ihn gesetzte Vertrauen.

Datenstand vom 01.06.2023 12:23 Uhr